Medizinische Biotechnologie im Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
Biopharmazeutika sind heute aus der medizinischen Versorgung nicht mehr wegzudenken. Allein im vergangenen Jahr wurden 30 neue Biopharmazeutika zugelassen (sowie 7 Biosimilars) – das sind über die Hälfte aller Neuzulassungen im Jahr 2022! Und auch wirtschaftlich sind Biopharmazeutika erfolgreich: auf sie entfielen 2021 etwa 31% des Umsatzes mit Arzneimitteln in Deutschland.
Dies liegt daran, dass Biopharmazeutika neue Therapieoptionen für Patient:innen mit Erkrankungen mit einem hohen medizinischen Bedarf ermöglichen, kommen sie doch insbesondere bei schweren onkologischen, immunologischen und Stoffwechselerkrankungen zum Einsatz. Eine besondere Bedeutung kommt ihnen bei der Therapie seltener Erkrankungen zu: Von den ca. 200 Arzneimitteln mit einem Orphan Drug-Status – die also zur Behandlung von Krankheiten, an denen weniger als 5 von 10.000 Menschen betroffen sind, zugelassen sind – gehören etwa 30% zu den Biopharmazeutika. Dies geht aus dem aktuellen Branchen-Report „Medizinische Biotechnologie in Deutschland 2022“ der Boston Consulting Group und des vfa hervor.
Doch mehrere aktuelle Probleme gefährden den Biotech-Standort Deutschland und damit nicht nur eine Schlüsselbranche, sondern auch die Versorgung der Patient:innen. Dazu zählen zum einen wirtschaftliche Herausforderungen wie steigende Energiepreise oder weitgreifende Rabattforderungen im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz. Zum anderen existieren hierzulande auch eine Reihe systematischer Innovationshürden, unter anderem steuerliche Nachteile im Standortwettbewerb, Fachkräftemangel und verbesserungsbedürftige regulatorische Rahmenbedingungen im Bereich klinische Prüfungen.
Erste Folgen dieser Probleme werden bereits sichtbar. Beispielsweise werden zwar nur in den USA mehr (in der EU zugelassene) biopharmazeutische Wirkstoffe produziert als hierzulande – bei den Produktionskapazitäten nach Volumen der Fermenter ist Deutschland allerdings seit 2018 um zwei Plätze zurückgefallen und liegt jetzt nur noch auf dem fünften Rang. Ein ähnliches Bild zeichnet sich bei der Zahl klinischer Arzneimittelstudien ab, bei der Deutschland von Spanien überholt wurde und auf Platz 6 abstieg.
Der vfa und seine 45 Mitgliedsunternehmen arbeiten deshalb gemeinsam mit Stakeholdern aus Politik, Wirtschaft und dem Gesundheitswesen daran, Lösungen für diese Probleme zu finden und umzusetzen.
Denn das Ziel der Ampelkoalition – so hat sie es in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten – ist ein Aufbruch für Innovationen und Investitionen, um Antworten auf die Herausforderungen des demografischen Wandels, die grüne Transformation und die offensichtlichen Lücken in der Krisenresilienz des Standorts zu geben. Für die biopharmazeutische Industrie – den Wirtschaftszweig mit den höchsten relativen Aufwendungen für Innovationen – sind dies eigentlich gute Voraussetzungen und eine Chance, die Rolle einer Schlüsselindustrie einzunehmen. Hierfür müssen die Weichen allerdings richtig gestellt werden, wofür der vfa im Biotech-Report 2022 eine Reihe von Vorschlägen macht:
1. Bekenntnis zur Biotechnologie
- Stärkung der MINT-Fächer an Schulen und Universitäten
- Modernisierung der Fachkräfteausbildung (z.B. Einführung einer Berufsqualifizierung „Biotechnologiefachkraft IHK“)
- Verbesserung der Finanzierungssituation gerade für junge Biotech-Unternehmen
2. Stärkung des Standortes Deutschland
- Genehmigungsverfahren für neue Produktionsstätten vereinfachen und beschleunigen
- Einheitliche Standards und harmonisierte Datenschutzregeln sowie schnellere Beratungs- und Genehmigungsverfahren bei klinischen Prüfungen etablieren
- Digitale Lösungen und Infrastruktur fördern und voranbringen
3. Förderung von Innovationen
- Beteiligung der Industrie an allen relevanten Forschungs- und Innovationsstrategien der Bundesregierung sicherstellen, um eine rasche Umsetzung (Translation) vorhandener und künftiger Problemlösungen zu gewährleisten
- Zugang zu Gesundheitsforschungsdaten auch für die industrielle Forschung ermöglichen
- Innovationsregionen oder -zentren aufbauen, inkl. Etablierung eines deutschen Zentrums für "Advanced Therapy Medicinal Products"
- Innovationsfreundliche Rahmenbedingungen fördern – angemessene Honorierung von Innovationen und Zugang für Patient:innen sicherstellen
Unsere Positionen sowie relevante Analysen und Publikationen finden Sie im Internet unter www.vfa.de.
Contact
Dr. Ivonne Mitar
Managerin Zukunftstechnologien & -therapien
i.mitar@vfa.de
Veröffentlicht: 13.02.2023